Lina ist in der Jugend- und Juniorenzeit nie die Beste in ihrem Jahrgang in Deutschland gewesen – was auch daran liegt, dass der Jahrgang 1998 im weiblichen Bereich zu den stärksten der vergangenen Jahre gehört. Bei den Rennen des DTU-Nachwuchscups standen jedenfalls immer andere auf dem Podium. Lina wurde meistens Vierte, Fünfte oder Sechste. Natürlich wäre sie damals auch gerne Erste, Zweite oder Dritte geworden. Aber es war auch die Zeit, in der sie Triathlon vor allem aus einem Grund betrieb: aus Spaß am Triathlon.
In den Triathlon ist sie „so reingerutscht“, wie sie das nennt. Triathlon ist bei den Völkers Familiensport. Ihr Vater Gerrit absolvierte Triathlons, war später dann langjähriger Landestrainer in Nordrhein-Westfalen und auch Linas Coach. Ihr Bruder Paul ist ebenfalls Triathlet.
Im Alter von fünf Jahren startete Lina erstmals bei einem Wettkampf. Mehr als ein Jahrzehnt später, Ende 2016, folgte dann der Wechsel an den Bundesstützpunkt nach Saarbrücken, nachdem sie sich ein paar Monate zuvor überraschend für die Junioren-EM in Lissabon qualifiziert hatte und dort jenen überraschenden zwölften Platz erreicht hatte. Auch 2017 sicherte sie sich wieder einen Startplatz für die Junioren-EM. Doch in Kitzbühel (Österreich) sollte sie dann nicht am Start sein.
Anstatt unmittelbarer EM-Vorbereitung ging es Ende Mai 2017 plötzlich um etwas viel Wichtigeres im Leben: um ihre Gesundheit. Sie fühlte sich nicht gut, musste ins Krankenhaus. Die niederschmetternde Diagnose: Sinusvenenthrombose, also Blutgerinnseln, im Kopf. Samt Verdacht auf Schlaganfall. Sporttreiben war zu etwas Nebensächlichem geworden.
Lina war zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt. Als 19-Jährige hat man normalerweise andere Themen, die das Leben bestimmen als eine Sinusvenenthrombose. Aber Erkrankungen und Verletzungen kann man sich nicht aussuchen. Man kann nur versuchen, das Beste daraus zu machen. Lina hat versucht, das Beste daraus zu machen: „Ich bin dadurch erwachsen geworden. Man geht anschließend anders an Sachen heran“, sagt sie. Sie hat zum Beispiel gelernt, mit Rückschlägen anders umzugehen. „Ich ärgere mich nicht mehr so, wenn etwas nicht geklappt hat.“
Es war ein schwieriger Weg zurück. Und ein langer Weg. Ein Weg, der nun, knapp drei Jahre später, erst langsam abgeschlossen ist. Erst jetzt hat sie langsam wieder das Gefühl, ihre volle Leistungsstärke erreicht zu haben. Lina durfte damals erst langsam wieder mit dem Sport beginnen. Erstmals joggen war erst ein halbes Jahr nach dem Krankenhausaufenthalt möglich („Ich habe mich nach drei Minuten Laufen gefühlt, als hätte ich das noch nie gemacht“). Natürlich hat sie auch darüber nachgedacht, ob es sich lohnt, sich zurückzukämpfen, ob sie die Kraft und Ausdauer dafür hat. „Aber ich hatte das Gefühl, wenn ich es nicht probiere, werde ich es irgendwann bereuen.“
Also probierte sie es. Es war ein sportlicher Neustart für Lina. „Ich kam mir ein bisschen vor wie ein kleines Kind, dass keine Ahnung von Triathlon hat und mit dem Sport anfängt.“ Ein Jahr nach der Diagnose absolvierte sie erstmals wieder einen Wettkampf. Zwei Jahre nach der Diagnose gewinnt sie ihr erstes Continental-Cup-Rennen – beim Afrika-Cup in Larache (Marokko). „Ich habe zuvor ewig kein Rennen mehr gewonnen“, erzählt sie. Es ist ihr erster Sieg seit dem Gewinn des Deutschen Meistertitels bei der Duathlon-DM 2017 in Alsdorf.
Im Februar 2019 hat Lina ihr erstes Weltcuprennen absolviert – nach zuvor vielen Starts in Continental-Cup-Rennen. Sie merkt in Kapstadt (Südafrika), dass die Weltspitze noch ein anderes Format hat, wo ihre Schwächen liegen. Sie merkt aber auch, dass es jetzt nicht eine völlig fremde Welt ist. „Es fehlt noch etwas“, sagt Lina: „Aber man sieht auch, es ist machbar.“ Das erste Weltcuprennen ihrer Karriere, es war, wenn man so will, ihr zweites Aha-Erlebnis.